"Manche Menschen in den östlichen Ländern Europas sehen den Westen durchaus als Gefahr.“ Dies erklärte Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofkonferenz, im Rahmen der Auftaktveranstaltung zur bundesweiten Kampagne „Europa“ der Katholischen Landvolkbewegung (KLB) in Würzburg. Dabei sei der Konflikt zwischen Ost und West bei weitem nicht neu. Die Gewinner eines vereinten Europas seien nun einmal in erster Linie die westlichen Länder, allen voran Deutschland, während Rumänien und Bulgarien schwer an der Abwanderung gerader junger Arbeitskräfte leiden. In diesem Spannungsverhältnis sei die gemeinsame Arbeit auf europäischer Ebene oft schwierig und lasse ein gemeinsames Handeln kaum zu.
„Wir beobachten gerade jetzt, dass größere Teile der Gesellschaft immer stärker nach rechts wandern. Politiker wenden sich gegen Brüssel, um damit bei der Bevölkerung im eigenen Land zu punkten“, betonte Kardinal Marx. Resignieren sei da keine Option. „Nicht um sich selber kreisen! Nicht denken, was gehen uns die anderen an. Dialog und Begegnung zwischen den Ländern Europas sind enorm wichtig - auch für Deutschland.“
Dafür seien viel Geduld und ein langer Atem erforderlich. Die Politik, auch hier bei uns, habe den Blick oft zu stark nach innen gerichtet und vergesse dabei das europäische Ganze. So habe Europa im letzten Wahlkampf eine nur kleine, untergeordnete Rolle gespielt. „Umso besser, wenn Verbände und Bewegungen versuchen Gräben zu überwinden, sich um einen Austausch, um ein gemeinsames Vorankommen in Europa bemühen. Eine zweijährige Europa-Kampagne, wie die der KLB, ist in diesem Zusammenhang besonders wertvoll!“ Doch leicht werde das nicht. Schließlich sei auch die kirchliche Situation in den östlichen Ländern eine ganz andere als in Deutschland. „Die Kirche dort ist noch sehr klerikal, eine vergleichbare Laienstruktur gibt es nicht.“
Dies bestätigte auch Alois Glück, ehemaliger Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, in seinem Impulsreferat zur Kampagne. „Es gibt nirgendwo eine Laienstruktur innerhalb der katholischen Kirche wie in Deutschland.“ Diese habe eine lange Tradition, sei bereits zu Bismarks Zeiten entstanden. Damals wollte man mit einer Reihe von Gesetzen, wie dem sogenannten ‚Kanzelparagraph (1871)’, den Einfluss der römisch-katholischen Amtskirche auf die deutsche Politik eindämmen und staatlichen und bürgerlichen Interessen stärken. „Diese Chance haben vor allem die Laien in der katholischen Kirche in Deutschland genutzt, sind aktiv geworden, haben sich zu Verbänden zusammengeschlossen und sich tatsächlich ein Stück weit vom Klerus emanzipiert. Dieses ist einzigartig in Europa!“
Deshalb sei es auch innerhalb der Kirche Rumäniens oder Bulgariens oft nicht einfach Ansprechpartner zu finden, die sich für ein gemeinsames Europa stark machen. „Umso herausragender ist die Arbeit der KLB, die sich trotz aller Schwierigkeiten um den Dialog und die Begegnung in den ländlichen Räumen Europas bemüht. Die Stärkung einer aktiven Zivilgesellschaft und damit die Stärkung der Demokratien in Europa ist das Ziel der derzeitigen Kampagne und des Erasmus+-Projektes ProRurE.“
ProRurE bietet die Chance einer europaweiten Zusammenarbeit ländlicher Initiativen. Die Stärkung und Vernetzung der nationalen und regionalen Bewegungen, des von-einander-lernen sowie neue Initiativen, der Austausch der Erfahrungen und neue Lösungsansätze. All dies soll vor allem die Strukturen in den abgehängten ländlichen Räumen Europas neuen Schwung geben.
Die Kampagne „Ich bin EUropa – und du auch!“ wurde im Rahmen der Bundesversammlung der KLB vom 27- bis 29. April in Würzburg mit über 90 Delegierten feierlich eröffnet.